Leben mit der Krise
unternehmer-in-not.at

StartseiteMagazinThemen specialUnternehmensgründungGründen: Gewerbeschein, Neue Selbständigkeit oder Freiberufler?

Gründen: Gewerbeschein, Neue Selbständigkeit oder Freiberufler?

Neue Selbständige, Freiberufler, freie Gewerbe - für viele Gründer sind die Begriffe verwirrend. Der Beitrag zeigt, wo die Unterschiede liegen.

Stichworte: Gewerbeschein | Sozialversicherung Selbständige

Immer wieder höre ich Sätze wie z.B.

  • Ich arbeite ja nur von zu Hause aus, ich hab kein richtiges Geschäft
  • Ich bin nur nebenberuflich selbständig
  • Ich mach das nur freiberuflich
  • Ich bin ein EPU

und dann kommt der Zusatz: "… deswegen brauche ich keinen Gewerbeschein". Ob Sie nun mit Ihrer Gründung zur Gruppe der Gewerbetreibenden, Freien Berufe oder Neuen Selbständigen gehören, hat aber nichts mit diesen häufig vorgebrachten Argumenten zu tun.

Zur allgemeinem Verwirrung trägt auch bei, dass in der Alltagssprache und in den Medien Begriffe wie Unternehmer, Gewerbetreibende, Selbständige oder Freiberufler häufig synonym verwendet werden. Freie Berufe und freie Gewerbe, das hört sich doch sehr ähnlich an – wo liegt also der Unterschied und warum ist der von Bedeutung?

Freie Gewerbe und Gewerbeschein

Der überwiegende Teil unternehmerischer Tätigkeit wird in Österreich auf Basis der Gewerbeordnung durchgeführt. Die Gewerbeordnung regelt, für welche Tätigkeiten ein Gewerbeschein nötig ist.

In aller Kürze: ein Gewerbeschein ist für alle Tätigkeiten erforderlich, die nicht ausdrücklich von der Gewerbeordnung (GewO) ausgenommen sind. Ausgenommen sind z.B. (im Detail siehe §1 und §2 GewO):

  • Land- und Forstwirtschaft
  • Literarische Tätigkeiten, Ausübung der schönen Künste, Ausübung des Selbstverlages der Urheber
  • Unterricht und Erziehung
  • Tätigkeiten im Gesundheitsbereich (z.B. Ärzte, Apotheker, Psychotherapeuten, Psychologen, Hebammen)
  • Weitere Berufsgruppen, die eigene Interessenvertretungen und Standesregeln haben wie z.B. Notare, Rechtsanwälte, Wirtschaftstreuhänder etc.

Ein Gewerbeschein ist also erforderlich für alle Tätigkeiten,

  • die nicht explizit von der Gewerbeordnung ausgenommen sind und
  • die auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt werden und auf einen Ertrag bzw. wirtschaftlichen Vorteil ausgerichtet sind.

Freies Gewerbe bedeutet nicht, keinen Gewerbeschein zu benötigen. Es bedeutet, dass für die Erlangung des Gewerbescheins nur die allgemeinen Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Es müssen also keine besonderen Befähigungsnachweise vorgelegt werden, wie es bei den reglementierten Gewerben der Fall ist.

Die reglementierten Gewerbe sind in der Gewerbeordnung genau aufgelistet. Alle Tätigkeiten, die nicht in den Bereich der reglementierten Gewerbe fallen, zählen zu den freien Gewerben. Daher sind der Phantasie der Gründer und Gründerinnen bei der Beschreibung ihrer Tätigkeit im Rahmen freier Gewerbe kaum Grenzen gesetzt. Das Bundesministerium für Wirtschaft (BMWFW) hat als Orientierungshilfe eine Liste mit freien Gewerben online gestellt. Diese Liste soll nur aufzeigen, dass eine große Bandbreite an freien Gewerben möglich ist. Jeder Gründer kann sein eigenes freies Gewerbe definieren – allerdings darf es nicht in den Anwendungsbereich der reglementierten Gewerbe fallen und natürlich auch keinen anderen geschützten Tätigkeitsbereich betreffen (zum Beispiel der Ärzte, Anwäte, etc.).

Eine Gründung mit Gewerbeschein bedeutet grundsätzlich:

  • Verpflichtende Mitgliedschaft in der Wirtschaftskammer als gesetzliche Interessenvertretung
  • Verpflichtende Sozialversicherung nach dem GSVG mit reduzierter Mindestbeitragsgrundlage für Gründer und Jungunternehmer. Allerdings gibt es nicht so etwas wie eine "geringfügige" gewerbliche Selbständigkeit, ein Mindestbeitrag ist jedenfalls zu entrichten (Ausnahme: Kleingewerberegelung, dazu Infos hier und ein Update).

Was zählt zu den Freien Berufen?

Bei den Freien Berufen handelt es sich im Wesentlichen um Berufsgruppen, die nicht dem Gewerberecht unterliegen und in einer eigenen Kammer organisiert sind. Dazu gehören zum Beispiel die Apotheker, Ärzte, Dentisten, Wirtschaftstreuhänder, Anwälte, Notare, Ziviltechniker etc.

Auch wenn es danach klingen mag, der Zugang zu diesen Berufen ist in Wahrheit keineswegs einfach und frei. Meist sind ein akademischer Abschluss und zusätzlich einige Jahre Berufserfahrung erforderlich, um diese Tätigkeiten selbständig ausüben zu dürfen.

FreiberuflerInnen sind in eigenen Interessenvertretungen organisiert (Ärztekammer, Rechtsanwaltskammer etc.) und sind entweder im Rahmen des GSVG oder FSVG (Freiberuflich Selbständigen-Versicherungsgesetz) versichert, Notare sind im Rahmen des Notarversicherungsgesetzes (NVG) in die Sozialversicherung eingebunden.

Was sind Neue Selbständige?

Die Neuen Selbständigen behandeln wir aus gutem Grund zum Schluss. Neue Selbständigkeit umfasst nämlich jene selbständige Tätigkeitsbereiche, die nicht durch das Gewerberecht und auch nicht durch die Freien Berufe geregelt sind. Es gibt zwar für Neue Selbständige Berufsorganisationen, sie sind aber nicht in einer Kammer organisiert. Die Neuen Selbständigen wurden erst 1998 in die GSVG-Pflichtversicherung einbezogen.

Zu den Neuen Selbständigen zählen beispielsweise:

  • Kunstschaffende und Schriftsteller
  • Vortragende, Gutachter
  • Selbständige Wissenschaftler
  • Freischaffende Journalisten
  • Selbständige Psychologen, Psycho- und Physiotherapeuten
  • Selbständige Krankenpfleger

Neue Selbständigkeit bedeutet also:

  • Es wird einer Tätigkeit nachgegangen, die nicht durch die Gewerbeordnung geregelt ist bzw. nicht den Tätigkeitsbereich der freien Berufe betrifft.
  • Es gibt keine gesetzliche Interessenvertretung (daher auch nur sehr eingeschränktes Beratungsangebot für Neue Selbständige)
  • Verpflichtende Sozialversicherung nach dem GSVG, allerdings nur, wenn das Einkommen die Versicherungsgrenze überschreitet.
    Es gibt zwei Versicherungsgrenzen: die Versicherungsgrenze 1 gilt, wenn Sie innerhalb des Beitragsjahres kein weiteres Einkommen haben und die Versicherungsgrenze 2 bei einem weiteren Einkommen (auch Pension, Kinderbetreuungsgeld, etc.). Aktuell (2015) liegt die Versicherungsgrenze 1 bei einem Jahreseinkommen von 6.453,36 Euro und die Versicherungsgrenze 2 bei 4.871,76 Euro. Ab 2016 wird es eine einheitliche Versicherungsgrenze geben.

Es gibt also hinsichtlich der Sozialversicherung so etwas Ähnliches wie eine "geringfügige" Neue Selbständigkeit, aber keine "geringfügige" gewerbliche Selbständigkeit.

Fazit: Lieber gewerblich selbständig oder Neue Selbständigkeit?

Die bisherige Darstellung sollte deutlich gemacht haben, dass es nicht darum geht, was Ihnen lieber ist, sondern darum, in welchen Bereich Ihre Tätigkeit fällt. Es spielt dabei keine Rolle, ob Sie von zu Hause aus tätig sind, ein eigenes Büro oder Ladenlokal betreiben, ob es sich um ein Ein-Personen-Unternehmen handelt oder wie hoch das Einkommen ist.

Auch wenn Selbständige mit geringem Einkommen aufgrund der Versicherungsgrenzen bei den Neuen Selbständigen diese Variante bevorzugen, muss ihnen klar sein, dass damit unter Umständen eine unbefugte Gewerbeausübung vorliegen kann – und dafür kann es empfindliche Geldstrafen geben. Gleiches gilt, wenn Tätigkeiten durchgeführt werden, die durch andere Gesetze geregelt sind wie z.B. durch das Ärztegesetz, Psychologengesetz oder Ziviltechnikergesetz.

Was ist mit freien Dienstnehmern?

Freie Dienstnehmer sind nicht bei der SVA, sondern bei der jeweiligen Gebietskrankenkasse versichert. Sie werden durch die Arbeiterkammer vertreten.

Quellen und zum Weiterlesen:

Gewerbeordnung 1994, aktuelle Fassung, abgefragt am 16.7.2015

Erstinformation für Freiberufler und Neue Selbständige der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft

Informationen zu freien Dienstnehmern - Arbeiterkammer

Aktualisiert am: 16.07.2015

Seitenanfang

Suche auf www.unternehmer-in-not.at:

Benutzerdefinierte Suche
Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen, Angaben zum Haftungsausschluss und zum Datenschutz.
Verwendung von Texten nur mit schriftlicher Erlaubnis