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Die Bank von Innen - ein kritischer Blick

Interview mit Alexander Shotten, Vermögensberater, Buchautor und ehemaliger Bankmitarbeiter, zum Innenleben der Banken

Stichworte: Bankgespräch

Als Kunde hat man das Gefühl, dass sich in den Banken viel geändert hat. Wie schätzen Sie das ein?

Schotten: Ich vertrete sogar die Meinung, dass sich die Banken zu Fastfood-Läden entwickelt haben. Man bestellt einen Hamburger, und der Mitarbeiter fragt: ein Menü? Bietet also die Pommes Frites und das Cola auch noch dazu an. Aber darüber hinaus hat der Mitarbeiter vorne am Tresen keine Ahnung, was dahinter eigentlich passiert. Der Schichtführer hat noch die Kontrolltätigkeit, kann aber auch nichts bestimmen. Der Franchisenehmer kann nur bestimmen, wieviele Verkäufer er hat, aber auf das Produkt selbst hat auch er keinen Einfluss. Über das Produkt selbst, das Menü, wird auf einer höheren Ebene entschieden, die den Kunden überhaupt nicht mehr sieht. Und wenn Sie jetzt ?Menü? zum Beispiel durch ?Investmentfonds? ersetzen und ?Schichtführer? durch ?Filialleiter?, dann haben Sie eine recht genaue Vorstellung vom heutigen Bankgeschäft.

Die Entscheidungen werden also nicht mehr in der Filiale getroffen?

Schotten: Früher hatte der Filialleiter ein Pouvoir von z.B. 12 Mio. Schilling. Heute hat er nach Ratingstufen gestaffelt ein Pouvoir von 0 bis 150.000 - 220.000 Euro, also ungefähr 2-3 Mio. Schilling. Bei manchen Kunden, die in eine bestimmte Ratingklasse hineinfallen, manchmal auch bis zu 360.000 Euro, also ca. 5 Mio. Schilling. Es kann aber auch vorkommen, dass der Filialleiter gar nichts mehr mit Ihnen zu tun haben darf, wenn Sie nicht in eine bestimmte Ratingklasse hineinfallen. Die Mitarbeiter in den Filialen sind heute nur noch Schmiedls. Der Risk-Manager ist zum Schmied geworden, aber den bekommen Sie meistens nicht zu sehen. Er führt die Risiko- und Kreditüberwachung durch und trifft die eigentlichen Entscheidungen.

Wie müssen einzelne Filialen heutzutage arbeiten? Woran wird innerhalb der Bank ihr Erfolg gemessen?

Schotten: Generell muss jede Filiale einen Ertrag erwirtschaften, also ihre Refinanzierungskosten hereinbringen. Es gibt in manchen Filialen einen Überhang an Sparbüchern und in anderen Filialen einen Überhang an Krediten. Dieses Manko wird zwar über die Zentrale ausgeglichen, bilanztechnisch scheinen für die jeweilige Filiale aber horrende Kosten auf. Das geht soweit, dass mir einmal ein Filialleiter gesagt hat, er ist nicht mehr da um Geschäfte zu machen, sondern um Geschäfte zu vermeiden.

Warum das? Weil er ein Volumen X als Kreditvolumen und ein Volumen Y als Veranlagungsvolumen hatte, und die waren ziemlich genau ausgeglichen ? damit hat er den Idealzustand. Jeder neue Kredit bzw. jede neue Veranlagung würde das Gleichgewicht bzw. seine Bilanz stören. Er sagt, lieber mache ich kein Geschäft, bevor ich bilanztechnisch dafür bestraft werde, dass ich ein Geschäft mache.

Wirken sich faule Kredite direkt auf das Einkommen bzw. Karrierechancen der Filialmitarbeiter aus?

Schotten: Ja. Die Mitarbeiter vorne am Schalter haben meistens kein oder nur ein geringes Pouvoir. Sie wollen es oft auch nicht, weil sie auch kein Risiko übernehmen wollen. Kreditausfälle werden aber direkt der Filiale angelastet. Das heißt, wenn die Filiale wenig Kreditausfälle hat, dann verdient sie sehr gut. Dann hat auch der Chef der Filiale eine gute Position in der Bank. Aber Kredite sind immer ein Risiko. Der Verkauf von nicht risikoabhängigen Produkten wie zum Beispiel Lebensversicherungen, Pensionsversicherungen etc. ist daher aus der Sicht der Mitarbeiter die interessantere Variante. Dafür gibt es für sie auch Gratifikationen: Also verkaufen sie lieber solche Produkte, als sich womöglich über Kredite das Geschäft zu verderben. Das heißt freilich, dass jene Kunden, die wirklich ein Darlehen brauchen, leicht durch den Rost fallen.

Das heisst, wenn ich schon in meiner Zahlungsfähigkeit eingeschränkt bin, dann bedroht das nicht nur mich, sondern indirekt auch den Mitarbeiter der Bank?

Schotten: Natürlich, denn einen Schuldigen muss es geben ? und das ist immer das schwächste Glied in der Kette, also der, der den Kredit bewilligt hat. Die einzelnen Mitarbeiter sind einem Druck ausgesetzt. Sie werden sehr wohl jährlich, monatlich oder auch stichprobenartig überprüft. Da gibtes Verkaufswettbewerbe und auch Soll-Vorgaben, die immer wieder nach oben geschraubt werden. Meiner Meinung nach müssen die Banken hier neue Wege gehen.

Was sind die schlimmsten Bestrafungen?

Schotten: Es wird niemand, der schon 25 Jahre in der Bank ist, wegen eines schlechten Kredits gekündigt. Auch bei langjährigen Mitarbeitern kann es aber zu Versetzungen kommen, besonders dann, wenn es zu Pouvoirübertretungen gekommen ist. Und bei den jüngeren Leuten ist es grundsätzlich anders. Hier hat sich in den Banken eine Kultur des "hire and fire" durchgesetzt. Dadurch können Jüngere sich auch selten das Know-how aufbauen wie langjährige Mitarbeiter. Ich halte das für einen schlechten Weg.

Ist bei ein und demselben Bankhaus Filiale gleich Filiale?

Schotten: Ja und nein. Es gibt Filialen, die haben beispielsweise einen Überhang an Sparbüchern und geben daher günstigere Kreditkonditionen. Allerdings kommt es darauf an, wie die Richtlinien für die interne Bilanzierung aussehen.
Der Grad an Zentralisierung ist von Bankhaus zu Bankhaus unterschiedlich. Die Raiffeisenbanken und Volksbanken sind dezentral, hier haben die Mitarbeiter, die direkt mit den Kunden zu tun haben, teilweise mehr Spielraum. Die großen Banken dagegen sind zentral gesteuert, da hat die einzelne Filiale nur eingeschränkte Möglichkeiten.

Wie wichtig ist es, welchen Betreuer ich habe?

Schotten: Das ist sehr wichtig, besonders wenn es finanziell eng wird. Es ist immer die Frage, wer das Vis-à-vis ist. Meiner Beobachtung nach fährt man besser mit Bankmitarbeitern, die knapp vor der Pensionierung sind, in gehobeneren Positionen, also 55 Jahre oder älter. Die haben mehr Erfahrung und daher oft auch mehr Verständnis. Die Jüngeren haben Angst um ihren Job und versuchen daher immer, auf Nummer Sicher zu gehen.

Wir danken für das Interviews

Mehr zu Alexander Schotten und dem Buch devisen schulden spesen sparen finden Sie hier

Online seit: 28.07.2003

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