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Sozialversicherung d. gewerblichen Wirtschaft - SVA

Interview mit Robert Pettliczek, Leiter der Landesstelle Wien, über die Vorgehensweise der SV der gewerblichen Wirtschaft (SVA) bei Zahlungsproblemen der Versicherten.

Stichworte: Ausgleich außergerichtlich | Exekution | Konkursantrag | Liquiditätskrise | Sozialversicherung Selbständige | Zahlungsverzug

Nehmen wir an, ich bin als Unternehmer/in das erste Mal nicht in der Lage, meinen Quartalsbeitrag an die SVA fristgerecht zu bezahlen. Und ich mache das, was viele machen: ich warte einfach ab.

Pettliczek: Nehmen wir als Beispiel das erste Quartal eines Jahres. Wir versenden Anfang bis Mitte Februar die Beitragsvorschreibung. Der SVA-Beitrag wäre dann in unserem Beispiel Ende Februar fällig. In weiterer Folge gibt es eine Respirofrist, weil eine Geldüberweisung dauert ja immer ein bisschen. Wir haben eine Respirofrist von 18 Tagen und ist bis dahin das Geld nicht eingegangen, erhalten Sie eine Mahnung. Das geht alles über die EDV, dabei wird beispielsweise auch überprüft ob es bereits eine Ratenvereinbarung gibt. Also wenn es keine Reaktion gibt und keine Ratenvereinbarung, dann erhalten Sie eine Mahnung.

Läuft das bei allen gleich ab - egal ob ich zum ersten Mal ein Zahlungsproblem habe oder ob ich schon öfter nicht fristgerecht meine SVA-Beiträge bezahlen konnte?

Pettliczek: Ja, das lauft grundsätzlich für alle gleich ab. Früher wurde bei Versicherten, die häufig Zahlungsrückstände bei der SVA hatten, auch ein Postauftrag eingesetzt. Das ist jetzt nicht mehr der Fall.

Ich reagiere auf die Mahnung nicht. Was passiert dann?

Pettliczek: Falls auf die Mahnung keine Reaktion erfolgt, dann wird zum Stichtag der nächsten Vorschreibung der Antrag auf Exekution erstellt. Der Exekutionsantrag geht online zu Gericht, das sind technisch automatisierte Vorgänge. Unsere Mitarbeiter können die Daten zu dem Exekutionsantrag über den Bildschirm abrufen.

Alles was ab jetzt passiert, entzieht sich eigentlich unserer Kenntnis. Das heisst, dass alle damit verbundenen Tätigkeiten vom Gericht erledigt werden. Wir erhalten nur die Rückmeldungen, zum Beispiel, dass die Person an dieser Adresse nicht mehr wohnhaft ist, dass es keine pfändbaren Vermögenswerte gibt oder auch, dass der offene Betrag in der Zwischenzeit bezahlt wurde. Man darf ja nicht vergessen, dass oft einige Wochen vergehen, bis der Exekutor tatsächlich an die Tür klopft.
Und dann kann folgendes passieren:

  • Es wird bezahlt, damit ist die Sache erledigt.
  • Der Versicherte kommt zu uns und bezahlt den gesamten offenen Betrag oder schließt eine Ratenvereinbarung ab. Wir stellen den Exekutionsantrag ein und damit ist die Sache auch geheilt.
  • Passiert beides nicht und ist auch kein pfändbares Vermögen vorhanden, dann wird der Betroffenen vom Exekutor gebeten, ein Vermögensverzeichnis abzugeben.

Grundsätzlich stellen wir die Exekution ein, wenn der Versicherte zu uns kommt und bezahlt oder wenn er beim Exekutor Vollzahlung leistet.

Wenn ich nun mein erstes Quartal nicht bezahlen konnte, wie lange dauert es, bis es wirklich ernst wird.

Pettliczek: Besonders in der Großstadt wechseln Personen ja viel häufiger ihren Wohnsitz als in kleineren Gemeinden. Es hat auch nicht jeder ein Geschäftslokal. Der klassische Fall wäre ja, dass der Exekutor anklopft und reingeht. Wenn es sich beispielsweise um ein Gastronomielokal handelt, dann trifft er auch jemanden an. Aber wenn es sich zum Beispiel um einen Marktfahrer oder einen Dienstleister handelt, dann ist das nicht so selbstverständlich. Da sind oft sehr intensive Nachforschungen notwendig, die von uns zu vollziehen sind. Daher vergehen mitunter schon mehrere Monate, bis es wirklich ernst wird, das wird sich von Fall zu Fall unterscheiden. Das alles unter der Annahme, dass Sie das Gespräch mit uns nicht aufgenommen haben.

Ich kann noch immer nicht bezahlen, inzwischen sind schon einige Quartalsbeiträge offen - was passiert jetzt?

Pettliczek: Wenn eine nachhaltige Vermögenslosigkeit gegeben ist und sich herausstellt, dass bereits mehrere Quartale ausständig sind, dann bekommen Sie einen eingeschriebenen oder Rsb- Brief von uns. In diesem Brief stellen wir Ihnen den Konkursantrag in Aussicht und weisen Sie auf die Konsequenzen eines eventuellen Konkursverfahrens hin.
Unserer Erfahrung nach gibt es hier unterschiedliche Reaktionen:

  • Es gibt Menschen, die sind emotional oder de-facto bereits aus der Selbständigkeit augestiegen. Hier treffen wir auf ein gewisses Maß an Gleichgültigkeit.
  • Es gibt Personen, die mit diesen Informationen nichts anfangen können, besonders bei Migranten erleben wir das oft.
  • Und schließlich gibt es jene, die das Bestreben haben, die Sache noch in Ordnung zu bringen. Die haben zum Beispiel Anlaufschwierigkeiten oder sind durch den Ausfall eines wichtigen Kunden in einen Engpass gekommen.

Letztere reagieren dann und damit kann das wieder ins Lot gebracht werden, zum Beispiel mit einer Ratenvereinbarung. Wenn Sie den Brief erhalten, ist noch nichts passiert. Aber wenn Sie auch in dieser Phase nicht reagieren, dann wird tatsächlich der Konkursantrag gestellt.

Wie kommt es typischerweise so weit, dass die SVA den Konkursantrag stellt?

Pettliczek: Wir gehen sehr umsichtig mit diesem letzten Instrument um. In der Praxis sehen wir, dass meist bereits eine jahrelange "Loch auf - Loch zu" Politik dahinter steht. Sie schließen zum Beispiel die erste Ratenvereinbarung mit uns ab, aber dann können Sie die Beiträge oder die Raten wieder nicht bezahlen. Und damit beginnt der ganze Prozess wieder von vorne. Ständig steigende Rückstände und dann kommt unter Umständen noch ein geschäftlicher Rückschlag dazu oder eine Nachzahlung beim Finanzamt. Es passiert manchmal, dass dem tatsächlichen Konkursantrag zwei oder drei Konkursandrohungen vorangegangen sind.

Was würden Sie mir raten, wenn ich nun meinen SVA-Quartalsbeitrag nicht bezahlen kann?

Pettliczek: Sie sollten Kontakt mit uns aufnehmen. Wir kennen aus dem täglichen Kundenkontakt die Probleme, auf die Unternehmer treffen. Wir wissen, dass es oft kein regelmäßiges Einkommen gibt und auch, dass Umfeldfaktoren wirksam werden können, auf die der einzelne Unternehmer nur wenig Einfluss hat.

Also wenn Sie paktfähig und zahlungswillig sind, und mit uns eine akzeptable Zahlungsmodalität vereinbaren, dann kommt alles wieder in Ordnung. Diese Fälle gibt es leider viel zu selten. Wir erleben oft, dass die Probleme sich mit der Zeit anhäufen und dann gibt es nicht nur Schulden bei uns, sondern eine Vielzahl von Gläubigern. Das kann zu einem Korsett werden, aus dem Sie als Unternehmer nicht mehr herauskommen.

Natürlich ist Hoffnung etwas Wichtiges und das braucht ein Jungunternehmer auch um die nötige Kraft zu haben. Aber irgendwann muss man eine ganzheitliche Betrachtung seiner finanziellen Situation vornehmen. Und dann zeigt sich, dass die SVA nur ein Teil in einem Puzzle ist. Ich glaube es ist wichtig, sich so früh wie möglich den Tatsachen zu stellen.

Gibt es die Möglichkeit, meine SVA-Beiträge zu reduzieren?

Pettliczek: Gerade bei Gründern und älteren Selbständigen kann man die Kleinunternehmerregelung in Betracht ziehen. Das bedeutet, dass Sie nur unfallversichert sind und von der Kranken- und Pensionsversicherung ausgenommen sind. Der jährliche Umsatz und Gewinn darf aber eine gewisse Grenze nicht überschreiten. Damit kann man sich von der Beitragslast befreien und sich eventuell beim Ehepartner mitversichern. Es gibt auch die Möglichkeit, sich freiwillig krankenzuversichern.

Eine zweite Möglicheit ist unter Umständen das Instrument des Nichtbetriebes. Wenn man nicht kontinuierlich akquiriert oder tätig ist, gibt es die Möglichkeit, für Teilzeiträume eines Kalenderjahres das Gewerbe ruhend zu stellen. Für diese Kalendermonate werden keine Beiträge vorgeschrieben. Das heisst, Sie müssen in diesem Fall zu Ihrer Fachgruppe in der Wirtschaftskammer und das Gewerbe ruhend stellen und kommen dann zu uns. Ein Ruhen kann bis zu 18 Monate rückwirkend geschehen, nur bei bestimmten Berufsgruppen wie Versicherungsvertreter und Immobilientreuhänder ist das nicht möglich. Voraussetzung für eine rückwirkende Ruhendmeldung ist natürlich, dass in diesem Zeitraum keine Leistungen in Anspruch genommen wurden.

Neue Selbständige - also Personen die ohne Gewerbeschein selbständig tätig sind - haben diese Möglichkeit nicht. Sie können nur erklären, dass Sie die Versicherungsgrenzen nicht überschreiten werden. Allerdings ist das nicht rückwirkend möglich.

Gibt es die Möglichkeit, Schulden nachzulassen, zum Beispiel im Zuge eines außergerichtlichen Ausgleichs?

Pettliczek: Wenn ein gerichtlicher Ausgleich - also ein gerichtliches Sanierungsverfahren - durchgeht, dann sind wir natürlich auch daran gebunden. Aber die Möglichkeit eines außergerichtlichen Ausgleichs gibt es bei uns nicht, dafür haben wir keine gesetzliche Deckung. Es ist so, wir bieten ja ein permanentes Äquivalent, die Person und mitversicherte Angehörige können sich ja laufend medizinisch versorgen lassen. Weiters bieten wir auch Pensionsversicherungszeiten.

Uneinbringliche Forderungen werden uns teilweise - insbesondere fehlende Pensionsbeiträge - von der öffentlichen Hand akkontiert. Das heisst, wir arbeiten hier nicht mit Geld der SVA, sondern mit Geld des Finanzministers. Deshalb verordnet uns auch der Finanzminister die Einhebung von Verzugszinsen, weil die öffentliche Hand das Geld auch am Kapitalmarkt aufbringt. Daher dürfen wir im Regelfall auch keinen Zinsenstopp anbieten.

Es gibt nur die Möglichkeit, um Nachsicht der Verzugszinsen anzusuchen. Diese machen derzeit (2008) 7,32% aus, da kann einiges zusammenkommen. Diese Chance besteht aber nur, wenn die offene Schuld vollständig auf einmal bezahlt wird. Aber das ist eine sehr rare Sache - nicht rar von unserer Seite her, sondern von unseren Kunden her.

Sie leiten die SVA-Landesstelle Wien. Gilt das Gesagte auch für die anderen Bundesländer oder gibt es hier Unterschiede?

Pettliczek: Grundsätzlich gibt es keine Unterschiede, abgesehen davon, dass so manches kleinere Exekutionsgericht rascher arbeitet, als die teilweise schwer belasteten Gerichte in Wien. Die zwangsweise Beitragseinhebung läuft daher zügiger ab.

Wir danken für das Interview

Aktualisiert am: 18.09.2008

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